Auch im Jahr 2024 hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung im Rahmen eines Fachtages Ende September die Handlungsorientierte Sozialberichterstattung (HSBN) vorgestellt. Der Schwerpunkt der Auswertung ist diesmal das Thema Armutsgefährdung im Alter. Die Daten des Jahres 2023 zeigen eine hohe Armutsgefährdungsquote für Menschen ab 65 Jahren von 17,9 Prozent. Besonders von Altersarmut gefährdet sind Frauen: Die statistische Armutsgefährdungsquote von Frauen ab 65 Jahren liegt bei 20,4 Prozent und damit signifikant höher als bei Männern (14,9 Prozent).
Ergänzend zum HSBN Statistikteil legt die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen (LAG FW) erneut einen eigenen Bericht vor. Der Anlagenbericht befasst sich in diesem Jahr mit dem Thema "Chancen der Teilhabe an Arbeit für Menschen mit Behinderung".
Armutsgefährdung im Alter: überdurchschnittlich oft Frauen betroffen
Niedersachsens Staatssekretärin im Sozialministerium, Dr. Christine Arbogast, stellt im Rahmen des Fachtages fest: "Die Armutsgefährdungsquote 2023 für Menschen ab 65 Jahren in Niedersachsen liegt mit 17,9 Prozent deutlich zu hoch. Auffällig ist, dass überdurchschnittlich oft Frauen von Armut betroffen sind. Die strukturelle Geschlechterungleichheit bei Chancen auf dem Arbeitsmarkt, der häufige Verzicht auf Karriere, unterbrochene Erwerbsbiografien oder ein hoher Teilzeitanteil zugunsten von unbezahlter Sorgearbeit und Kinderbetreuung sind für viele Frauen ein echtes Armutsrisiko. Wenn die Möglichkeit fehlt, einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen, fehlen auch die Möglichkeiten, ausreichende Rentenansprüche zu erwerben beziehungsweise Vorsorge für den Ruhestand zu treffen. Daher ist es wichtig, Gleichstellungspolitik auch immer arbeitsmarktpolitisch zu denken und umzusetzen. Hier gibt es gesamtgesellschaftlich immer noch sehr viel zu tun."
Sozial-, Arbeits- und Gleichstellungsminister Dr. Andreas Philippi ergänzt: "Wir als Gesellschaft haben eine Verantwortung, Frauen beim Erwerb durchgängiger Erwerbsbiografien besser zu unterstützen. Wesentliche Faktoren sind hier die Aufgabenteilung in der Sorgearbeit, die Verfügbarkeit von Betreuungsangeboten sowie flexible und bedarfsgerechte Arbeitszeitmodelle, aber auch frühzeitige Information über das Thema Finanzen und Vermögensbildung. Außerdem braucht es ein kurzfristiges Signal für einen funktionierenden Sozialstaat an die Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, dass sie sich auf stabile Renten verlassen können. Daher muss das Rentenpaket II auf jeden Fall umgesetzt werden."
Chancen der Teilhabe an Arbeit für Menschen mit Behinderung
Der diesjährige Anlagenbericht der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege legt einen besonderen Fokus auf Werkstätten und andere Leistungsanbieter und zeigt die bunte Welt der Teilhabe am Arbeitsleben - mit Angeboten für über 36.000 Menschen in Werkstätten, Tagesförderstätten und bei anderen Anbietern in Niedersachsen. Der Bericht fordert auch eine Gesetzesinitiative des bestehenden Entgeltsystems in Werkstätten, da von der aktuellen Situation ein erhöhtes Armutsrisiko für die Beschäftigten ausgeht.
"Wie führt man mit einem Einkommen von 305 Euro ein normales Leben? Diese Frage verdeutlicht die prekäre finanzielle Lage vieler Werkstattbeschäftigter. Es besteht hier dringender Handlungsbedarf.", sagt Kerstin Tack, stellvertretende Vorsitzende der LAG FW. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Forderung zur Einführung eines Basis-Geldes für die Beschäftigten. "Dieses vom Staat bezahlte Basis-Geld soll dazu beitragen, dass Menschen selbstbestimmt und autonom von ihrem Geld leben können und nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind." Das Basis-Geld sieht vor, dass jeder berechtigte Mensch pro Monat einen Betrag erhält, der bei 70% des deutschen Durchschnittseinkommens liegt. Das Basis-Geld würde aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.
Aus seiner praktischen Erfahrung stellt Michael Korden, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit | Bildung | Teilhabe in Niedersachsen - einem freiwilligen Zusammenschluss von Leistungserbringern zur Arbeits- und Berufsförderung beeinträchtigter Menschen - heraus: "Die LAG A|B|T setzt sich dafür ein, das Entgeltsystem zu reformieren und unterstützt die Forderungen auch auf Bundesebene nach einer fairen Entlohnung in den Werkstätten aus einer Hand."
Korden weiter: "Wir freuen uns mit diesem Anlagenbericht die Entwicklung der Arbeit in den Werkstätten differenziert darstellen zu können, auch um Vorurteilen entgegenzuwirken." Kerstin Tack dankt abschließend der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit | Bildung | Teilhabe Arbeit für die Erstellung des Anlagenberichtes und betont die Bedeutung des Themas Inklusion im Arbeitsmarkt für unsere Gesellschaft.
Hintergrund
In der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (LAG FW e. V.) sind die sechs Niedersächsischen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen: Dies sind Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Jüdische Wohlfahrt. Damit repräsentiert die LAG FW e. V. etwa 6.000 soziale Einrichtungen, Beratungsstellen und Dienste mit mehr als 230.000 hauptamtlich Beschäftigten und über 500.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Zur LAG FW e. V. gehören zudem die Landesstelle Jugendschutz, die Landesstelle für Suchtfragen, die LAG Arbeit | Bildung | Teilhabe und die Stelle für soziale Innovation der Freien Wohlfahrtspflege.